Ort: Sky Lounge im Gebäude der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Mathematik, Dachgeschoss, Oskar-Morgenstern Platz 1, 1090 Wien
Zeit: 18.00 Uhr, im Anschluss Stehempfang
Die Familie stellt einen zentralen Wert im konfuzianischen Denken dar. Sie ist die wichtigste Richtschnur, an der Chinesen ihr Verhalten im Alltag orientieren. In den vergangenen Jahrzehnten haben chinesische Familien andauernd vielfältige und radikale Umbrüche erlebt. Zum Beispiel, nach 1949 wurde das traditionelle Familiensystem zerschlagen, die viel kleinere Kernfamilie wurde zur typischen Familienform, und seit 1978 wurde die „Ein-Kind-Politik“ durchgeführt, so daß die sogenannte ‚4-2-1 Familienform‘ aufgetreten ist. Man hat bis heute noch keine neuen idealen Normen von Familienleben gefunden, während viele Familien mit psychischen Problemen ratlos konfrontiert werden.
Familientherapie ist jedoch etwas relativ Neues für das alte Land. Sie ist 1988 von Helm Stierlin und Fritz B. Simon durch ein deutsch-chinesisches Ausbildungsprojekt für Psychotherapie dort eingeführt worden. Heute ist Familientherapie in vielen Provinzen eine der beliebtesten und wichtigsten staatlich zugelassenen Formen der Psychotherapie in Krankenhäusern, finanziert durch die Krankenkassen, was in vielen anderen entwickelten Ländern so nicht der Fall ist. Mehr und mehr Menschen kennen diese Form der Psychotherapie. Viele Fälle werden erfolgreich mit Familientherapie behandelt – vor allem psychologische Probleme von Kindern und Jugendlichen sowie Depressionen, Neurosen und psychosomatische Störungen von Erwachsenen. Psychologische Störungen bei Kindern und Jugendlichen sind in China weit verbreitet. Depression, Angststörungen, Tics, Schulprobleme, Essstörungen und andere emotionale und Verhaltensstörungen werden bei unter 18-Jährigen oft diagnostiziert. Diese Probleme hängen eng mit der „Ein-Kind-Politik“ seit gut dreißig Jahren zusammen. Neben klinischen Anwendungen sind die Konzepte und Methoden der Familientherapie in China auch in anderen Feldern wie Erziehung, Sozialarbeit, Justiz und Personalentwicklung angewandt worden.
Familientherapie ist inzwischen ein gut eingeführter und adaptierter, nützlicher und viel genutzter psychotherapeutischer Ansatz in China. Sie “passt” zu den zunehmenden Beratungsbedürfnissen der Chinesen und auch zur chinesischen Kultur, teilt sie doch mit ihr einige gemeinsame philosophischen Wurzeln.
Dieser Abendvortrag ist eine gemeinsame Veranstaltung des Instituts für Ostasienwissenschaften und des Konfuzius Instituts an der Universität Wien, das diese Veranstaltung dankenswerterweise finanziert.
Alle sind herzlich eingeladen, Anmeldung ist nicht nötig.
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